“It’s true I’m a Rubik’s – a beautiful mess”
Eminem – Walk on water
Es gibt viele Wege um einen Rubik’s Cube zu lösen. Es wurden Methoden und Algorithmen entwickelt, mit denen innerhalb weniger Sekunden alle Seiten zu lösen sind. Und das Schöne ist, dahinter steckt eine unbestreitbare, wenn auch schwer verständliche Logik. So wird ein bestimmter Algorithmus dazu führen, einen Stein von rechts oben nach rechts unten zu befördern. Beim Lösen eines Rubik Cubes glauben wir an diese Methoden und probieren es wieder und wieder, wenn es nicht auf Anhieb funktioniert.
Im Leben fehlt uns manchmal diese Sicherheit, wenn wir keinen direkten Beweis für unsere Mühen sehen. Manchmal wissen wir auch nicht, welche Drehung für unsere Situation genau die richtige ist. Oder wir schaffen es nicht, die Methoden unserer Freunde anzuwenden. Oder schlimmer noch, wir machen alles genauso wie sie und sind mit unserem Ergebnis trotzdem nicht zufrieden.
Es ist, als würden wir an unseren Zauberwürfel herumdrehen, aber nicht so schön oder so schnell wie der neben uns. Wir glauben nicht an die Logik, wenn wir sie nicht sofort sehen können und dabei vergessen wir, dass die Methoden zur Lösung eines Zauberwürfels, eines Tages erfunden wurden. Durch unzählige Versuche und den Mut neue Wege zu gehen. Auf diesem Prinzip beruht fast jede wissenschaftliche Entdeckung, ohne die unser heutiges Leben nicht möglich wäre. Andernfalls gäbe es wohl keine Nutzung der Radioaktivität oder die Anti-Babypille.
Wir sind zu sehr umgeben von Algorithmen (im wahrsten Sinne des Wortes), die uns die Lösung unseres Zauberwürfels in ganz einfachen und superschnellen Methoden versprechen. Dating-Portale, die wissen wie man sich innerhalb von wenigen Minuten verliebt, Ernährungs- und Fitnessapps, die wissen wie wir abnehmen. So manches Unternehmen scheint besser zu wissen, was wir wollen und brauchen: Nämlich die sofortige Befriedigung all unserer Bedürfnisse. So schnell wie möglich ans Ziel seiner Träume zu kommen, mit der ultimativen und bequemsten Lösung, scheint das zu sein, was wir alle wollen sollen. Und diejenigen, die auf diesem Weg, der für alle derselbe zu sein scheint, nicht mitgehen oder zu langsam sind, müssen manchmal das Gefühl bekommen, mit ihnen stimmt etwas nicht.
Dabei sind wir alle unser eigener Würfel und den einen richtigen Weg gibt es nun mal nicht für alle. Dennoch, wer mit dreißig noch studiert, mit fünfunddreißig nicht verheiratet ist, ja nicht mal einen festen Partner hat, geschweige denn Kinder, wer mit Ende zwanzig noch nicht in seinem Traumjob ist oder keinen großen Ehrgeiz auf der Karriereleiter zeigt, der sticht meistens raus oder trifft auf Unverständnis. Im Zeitalter der Selbstoptimierung vergessen wir manchmal, dass nur wir selbst wissen können, wo wir uns optimieren wollen, wann und in welchem Maß.
Es gibt keine Garantie, dass die Züge, die wir unternehmen, uns ans Ziel führen werden. Manche werden ins Nichts führen, obwohl wir unser Bestes geben. Und dennoch hat jeder Würfel seine Schönheit, so chaotisch er auch aussehen mag. Wir erkennen es oft nicht, während wir mittendrin stecken, doch unsere Ziele verlieren nicht an Wert, wenn wir länger brauchen als andere, um sie zu erreichen. Es ist bloß unsere Gegenwart, die darunter leidet, wenn wir uns so sehr ans Ziel wünschen, dass wir den Weg nicht genießen können. Es scheint eine abgedroschene Phrase zu sein, dass der Weg das Ziel ist. Aber was tun wir, wenn wir den Rubik’s Cube gelöst haben?
Wir verdrehen ihn wieder und machen alles von vorne.
Darin liegt der Spaß und der Sinn des Lebens. Oder um Phil Knight zu zitieren, am Ende seines Buches Shoe Dog, in dem er seinen Aufstieg mit dem Nike Imperium beschreibt: „[…] I honestly wished I could do it all over again.”
Kommentar schreiben
Chiara (Freitag, 10 Januar 2020 12:37)
Ein sehr schöner Text mit tollen Gedanken!:) es gibt mehrere Sätze, die mir sehr gut gefallen!
Vince (Samstag, 11 Januar 2020 13:28)
Super Text Verena! Einfach zu lesen und viele gelungene Metaphern eingebaut!