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Das perfekte Versteck - Teil 1

 

Freitagabend

 

 

 

Es war genau 20:13 Uhr, als die Musik in der Wohnung über den Breyers bis zum Anschlag aufgedreht wurde. Reiner Breyer verschüttete beinahe sein Bier.

 

„Das darf doch nicht wahr sein! Jeden Freitag dasselbe!“, brüllte er in Richtung Decke.

 

„Sind das wieder diese Jungs?“ Seine Frau kam mit den Händen auf den Ohren aus dem Bad gehetzt.

 

„Wer sonst? Wo ist der Besen? Ich höre den Kommentator nicht mehr!“

 

„Ich habe dir letzte Woche schon gesagt, wir rufen die Polizei!“

 

„So alt bin ich auch noch nicht!“, entgegnete Reiner, während er begann mit dem Stiel des Besens gegen die Zimmerdecke zu hämmern. Beide warteten einen Augenblick auf eine Reaktion von oben, doch die Musik plärrte weiterhin unverschämt laut.

 

„Und was machen wir jetzt?“

 

„Jetzt knöpfe ich mir die Burschen vor!“ Reiner stapfte aus der Wohnung und schlug die Tür krachend hinter sich zu. Im Treppenhaus hallte die Musik noch ohrenbetäubender wieder. Er stiefelte ein Stockwerk höher, in die oberste Etage, wo der Lärm Trommelfellgefährdend wurde. Reiner hämmerte gegen die Tür, klingelte und brüllte: „Hey, mach die Musik leiser! Hallo! Verdammt, hier wohnen noch andere!“

 

Es dauerte vielleicht eine halbe Minute, bis die Musik leiser und die Tür ein Stück geöffnet wurde. Ein junger Mann, Mitte zwanzig, mit kurzen, blonden Haaren und einem Playstation Controller in der Hand, erschien im Türrahmen. Sein Gesicht war gerötet und er roch nach Bier.

 

„Zu laut?“

 

„Machst du Witze?“, fuhr Reiner ihn an. „Mir sind da unten fast die Ohren weggeflogen!“

 

„Sorry, wir dachten solange noch keiner schläft, können wir mal kurz die Anlage testen. Wir zocken ein bisschen und … naja.“ Er drehte sich kurz nach hinten um. Stimmen drangen aus dem Raum, von dem Reiner nicht mehr erkennen konnte, als einen kleinen Sofatisch, auf dem Chips und Bierflaschen herumflogen, sowie drei paar Schuhe am Anfang des Zimmers.

 

„Auch wenn ich nicht schlafe, will ich keinen Hörsturz kriegen!“ Reiner wandte sich um und stapfte die Treppe hinab. Später würde er bei der Polizei aussagen, dass Leon Stieger um viertel nach acht zuhause gewesen war und offensichtlich eine Party gefeiert habe, da die Musik zwar leiser geworden, aber dennoch gut zu vernehmen gewesen war.

 

Kaum war Reiner wieder unten in seiner Wohnung, griff Leon zu dem klobigen alten Handy, das mit einer Prepaidkarte funktionierte. Seine Handflächen schwitzten. Es durfte jetzt nichts schiefgehen. Er durfte sich keinen Fehler erlauben. Er wählte die Nummer und als flüsternd abgehoben wurde, entgegnete er: „Es kann losgehen.“

 

Dann griff er sein Smartphone, um in sein Schlafzimmer zu gehen und zu den dumpfen Geräuschen der Musik seine Mutter anzurufen.

 

 

 

Samstagmittag

 

 

 

„Ihr voller Name lautet Leon Stieger und Sie sind 25 Jahre alt?“

 

„Ja. Müssen Sie so laut reden?“

 

„Woher haben Sie denn diesen Kater?“

 

„Na von zu viel Alkohol.“

 

„Und wo und wann haben Sie den konsumiert? Erinnern Sie sich noch, was Sie getrunken haben?“

 

„Wollen Sie, dass ich anfange zu kotzen?“

 

„An Ihrer Stelle würde ich das Ganze ernster nehmen.“

 

„Mein Gott, ich hab erst bei mir zuhause getrunken und dann im Club in der Stadt.“

 

„Wann waren Sie im Club?“

 

„Ich denke gegen Mitternacht. Was sollen denn diese Fragen?“

 

„Sagt Ihnen der Name Peer Brenner etwas?“

 

„Das ist mein Stiefvater. Oder … mein ehemaliger Stiefvater. Er hat sich vor ein paar Wochen von meiner Mutter getrennt. Wieso? Ist er endlich tot umgefallen?“

 

„Das hört sich so an, als wären Sie nicht sonderlich gut auf ihn zu sprechen.“

 

„Bin ich auch nicht.“

 

„Wieso?“

 

„Er hat meine Mutter nicht gut behandelt. Können Sie mir jetzt mal sagen, was ich hier mache? Mein Schädel platzt.“

 

„Was hat er getan? … Je schneller Sie unsere Fragen beantworten, desto schneller kommen Sie zu ihrem Schmerzmittel.“

 

„Kurz gesagt, er hat sie verarscht.“

 

„Inwiefern? Hat er sie mit anderen Frauen betrogen?“

 

„Nein, aber um Geld.“

 

„Sie meinen, er hat sich Geld von ihr geborgt, angeblich um sich aus einer finanziellen Notlage zu manövrieren und sich davon aber ein Auto gekauft? Und nicht irgendeines, sondern einen …“

 

„Ja, so eine bescheuerte, teure Angeberkarre eben.“

 

„Hat Sie das wütend gemacht?“

 

„Was soll denn die Frage? Natürlich! Wie würde es Ihnen denn gehen? Und jetzt erklären, Sie mir verdammt nochmal, was das hier soll!“

 

„Sie lieben Ihre Mutter und Sie wollten dem Kerl eine Lektion erteilen. Das kann ich verstehen. Deshalb haben Sie sein Auto gestern Nacht im See an seinem Haus versenkt, nicht wahr?“

 

„Was?“

 

„Ach, Sie finden das witzig? Und was bringt Sie daran so zum Lachen?“

 

„Na, dass Sie so einen Schwachsinn denken. Wie soll ich das denn … Wie kommen Sie darauf?“

 

„Er hat sie beschuldigt. Wo waren Sie gestern Abend zwischen viertel nach acht und neun?“

 

„Bei mir zuhause. Mit meinen Freunden Jan und Timo.“

 

„Erzählen Sie mir von dem Abend.“

 

„Was soll ich da erzählen?“

 

„Was haben Sie gemacht?“

 

„Was getrunken und Playstation gespielt und Musik gehört.“

 

„Was haben Sie gespielt und welche Musik lief?“

 

„Gute Musik. Wir haben ein Ballerspiel gespielt und bevor Sie fragen, nicht online.“

 

„Kann das jemand bezeugen?“

 

„Mein Nachbar von unten. Der hat sich über die Musik beschwert.“

 

„Sie meinen Herrn Reiner Breyer? Er hat angegeben Sie gegen viertel nach acht an der Tür gesehen zu haben, was Ihnen aber noch genug Zeit gab, um pünktlich zu Herrn Brenners Joggingrunde seine Wagen zu versenken.“

 

„Bullshit! Ich hab mit meiner Mutter telefoniert. Überprüfen Sie doch meine Handydaten!“

 

„Und wo waren Ihre Freunde? Herr Breyer sagte, er hätte die beiden um die Uhrzeit nicht gesehen?“

 

„Mann keine Ahnung. Vielleicht lagen sie auf der Couch oder waren kacken.“

 

„Oder sie waren bei Peer Brenner und haben seinen Wagen auf den Grund des Sees geschoben. … Ich denke nicht, dass Sie Grund haben zu lachen.“

 

„Doch, Mann. Das ist voll der Schwachsinn.“

 

„Finden Sie?“

 

„Ja. Haben Sie auch Beweise für diese Scheiße?“

 

„Mal sehen was Ihre Freunde dazu zu sagen haben. Aber Sie können sich sicher sein, wir kriegen raus was letzte Nacht war. Wer zuerst auspackt, der bekommt ein Angebot.“

 

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