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Das perfekte Versteck - Teil 2

 

Freitagabend

 

 

 

In gut drei Kilometern Entfernung saß Peer Brenner im verglasten Wohnzimmer seines großen Hauses am See und telefonierte. Der fünfzigjährige mit der Solariumbräune wusste dabei nichts von den beiden Gestalten, die sich im dichten Gebüsch vor seiner Haustür versteckten, mit Blick durch die Wohnzimmerfenster im ersten Stock.

 

„Was machen wir denn, wenn der heute nicht mehr rausgeht?“, wisperte Jan. Es war kalt und dunkel und der Busch in den sie sich gequetscht hatten, war nass.

 

„Der hat doch schon Sportsachen an. Der geht gleich. Leon hat doch gesagt, der lebt jeden Tag nach diesem strikten Plan.“ Timo veränderte leicht seine Position in der Hocke. Seine Beine begannen zu schmerzen. Sie mussten unbedingt daran denken, ihre Spuren hier zu verwischen. Nach weiteren, schier endlosen Minuten, beendete Brenner endlich sein Telefonat. Er schnürte seine Joggingschuhe und trippelte aus dem Zimmer. Kurz darauf öffnete sich die Haustür und Brenner trat mit einer Stirnlampe in die kalte Nacht.

 

In ihrem Versteck hielten Timo und Jan die Luft an, bis er nach einigen Dehnübungen an ihnen vorbeigelaufen war. Sie lauschten, bis sie seine Schritte nicht mehr vernehmen konnten.

 

„Go.“

 

Jan lief seine Kapuze ins Gesicht gezogen geduckt bis zur Haustür und platzierte den Keyscanner dort, sowie den Car-Scanner in der Nähe des protzigen Wagens. Durch den Funkwellenverstärker öffnete sich der Wagen in Sekundenschnelle. Die Lichter blinkten in der Finsternis auf.

 

Timo, der ihre Spuren im Gebüsch bestmöglich verwischt hatte, schlich zum Auto und öffnete ihn mit seinen behandschuhten Händen. Er löste die Bremse und ließ den Wagen im Wert von mehr Geld, als er es sich jemals zu besitzen erträumte, rückwärts den steilen, asphaltierten Weg hinabrollen – direkt auf den schwarz daliegenden See zu. Dabei ließ er alle Fenster herunter.

 

„Kann die Karre nicht schneller rollen?“, flüsterte Jan. „Ich mach garantiert nicht den Motor an. Das weckt die ganze Straße. Hast du alles wieder eingesammelt?“

 

„Ja.“ Jan drehte sich unaufhörlich zu den Nachbarhäusern um. Es brannte kein Licht in der Auffahrt, sodass sie in ihrer schwarzen Kleidung niemand erkennen sollte. Und es sollte auch niemand hören, wie der Wagen schließlich mit einem leisen Schwappen in den See tauchte. Doch die zwei hatten keine Zeit, den Anblick zu genießen. Sie schoben an der Motorhaube noch etwas nach, bis das Auto komplett im schwarzen, tiefen Wasser war und gluckerte.

 

„Okay, ab geht’s zum Auto. Unauffällig, nicht rennen.“

 

„Der Typ kann doch jede Sekunde wieder kommen!“

 

„Bleib cool!“ Leon hat gesagt, der joggt mindestens dreißig Minuten. Ich ruf Leon jetzt an, denk an den Blitzer.“

 

„Ich bin nicht blöd, Mann.“ Jan beobachtete weiterhin die Gegend, während Timo Leon über sein Prepaidhandy erreichte.

 

„Der Fisch ist im See.“

 

 

 

Es war exakt 20:37 Uhr als Jan sein Auto auf dem Privatparkplatz von Leons Nachbarin abstellte. Dem Parkplatz, den ihr Mann in gut einer Stunde haben wollen würde. Sie entdeckten niemanden, der sie beobachtete, als sie ausstiegen und dennoch nahmen sie vom Rücksitz die Tequila Flaschen und öffneten ihre Anoraks, als sie zum Haus gingen. Über den Summer öffnete Leon die Tür und die beiden schlichen durchs dunkle Treppenhaus leise nach oben. Erst als sie in Leons Wohnung waren, entspannten sie sich ein bisschen.

 

„Ihr seid euch sicher, dass euch niemand gesehen hat?“, fragte Leon und öffnete den Tequila. Der Geruch nach Alkohol musste in der Luft hängen, wenn gleich der Pizzalieferant kam. Er biss in ein paar Zitronenscheiben, die er auf dem Tisch bereit geschnitten hatte, goss Tequila in Schnapsgläser ein und kippte etwas aus der Flasche ins Klo. Sie gingen alle drei an ihre Smartphones, die auf Leons Sofa lagen, beantworteten im Abstand von einigen Minuten ein paar Nachrichten. Während Timo und Leon dann an der Playstation spielten, filmte Jan sie, die Zitronenscheiben und den Tequila und schickte das Video an seine Freundin. Um genau 20:50 Uhr klingelte der Pizzalieferant. Leon ließ ihn hochkommen und bezahlte die Pizza, während Jan und Timo im Wohnzimmer einen Tequilashot nahmen.

 

„Ey, ihr Penner, ihr sollt auf mich warten!“, rief Leon während er dem Mann die Kartons abnahm. Der Lieferant würde später vor der Polizei aussagen, dass alle drei bei Leon gewesen waren und es den Eindruck eines feuchtfröhlichen Männerabends gemacht hatte. Sie aßen so viel Pizza wie sie trotz ihrer Nervosität verdrücken konnten.

 

„Meinst du, er hat das mit dem Auto schon bemerkt und ruft gerade deine Mutter an?“, fragte Jan Leon, der mit den Schulten zuckte.

 

Um 21:05 Uhr war die kurze Entspannung vorbei. Leon und Timo zogen sich an. In Leons Auto lag alles, was sie brauchten, sie mussten nur den richtigen Moment abpassen, um die Wohnung von den Nachbarn unbemerkt zu verlassen. Sie schlichen das Treppenhaus im Dunkeln nach unten, bestiegen ungesehen Leons Auto, das in einer Nebenstraße geparkt war und fuhren so unauffällig wie möglich zu Teil 2 der Nacht. Jetzt durfte erst recht nichts mehr schiefgehen.

 

 

 

Samstagmittag

 

„Namen und Alter bitte.“

 

„Jan Heist, 26 Jahre.“

 

„Geht es Ihnen besser?“

 

„Nein. Mir ist immer noch schlecht und ich habe Kopfschmerzen. Warum kann ich mich nicht zu Hause ausschlafen?“

 

„Das werden wir Ihnen gleich erklären. Sie haben die Nacht durchgefeiert?“

 

„Ja. … Timo, mein Kumpel, und ich wir … wir waren bei Leon und … also unserem Freund und sind dann noch in einen Club. Und wir waren alle ziemlich hacke.“

 

„Wann ging es los bei Leon Stieger?“

 

„So gegen … halb acht schätze ich.“

 

„Sie schätzen?“

 

„Ich weiß wir sind um zwanzig nach sieben bei mir losgefahren, also … ja.“

 

„Und wie war der Abend bei Leon? Haben Sie etwas Besonderes gemacht?“

 

„Naja eigentlich war es … wie immer. Sein Nachbar kam relativ früh hoch und hat sich über die Musik beschwert und …“

 

„Was hat er genau gesagt?“

 

„Ich hab es nicht gehört. Ich hab Playstation gespielt, aber Leon hat gemeint, es war derselbe wie immer und er hat dasselbe gesagt wie immer.“

 

„Und wie ging der Abend weiter?“

 

„Wir haben uns Pizza bestellt und ich habe für meine Freundin ein paar Videos aufgenommen und … ach so, diese Nachbarin hat geklingelt.“

 

„Wann war das?“

 

„So gegen … um halb zehn ungefähr. Sie hat mich durch die Gegensprechanlage angeschrien, weil ich wieder auf ihrem Parkplatz geparkt habe und dann bin ich runter und wir haben … diskutiert.“

 

„Warum standen Sie wieder auf ihrem Parkplatz? Sie hat ausgesagt, dass das mehrmals vorgekommen ist und sie deswegen bereits mehrmals mit Ihnen gesprochen hat.“

 

„Ich … es war kein anderer Parkplatz frei.“

 

„Und wo waren Ihre Freunde, während Sie mit Frau Drechsler unten diskutiert haben?“

 

„In der Wohnung. Also Leons Wohnung. Sie haben weiter gezockt und so.“

 

„Sind Sie sich da sicher? Die beiden waren nicht zufällig bei Florian Wagner, Ihrem Arbeitskollegen, der angegeben hat, sein Fahrrad wurde mutwillig zerstört und vermutet, dass Sie dahinterstecken?“

 

„Das … Ich weiß nicht, was Sie meinen.“

 

„Herrn Wagner zufolge, waren Sie mehr als sauer auf ihn, dass er den Bonus in Ihrer Firma kassiert und sich davon dieses Rennrad gekauft hat. Stimmt das?“

 

„Ich habe die ganze Arbeit gemacht! Alles was er getan hat, war meine Arbeit als seine auszugeben! Wenn mein Chef mir zugehört hätte, dann hätte er kapiert, dass alles aus seiner Präsentation von mir stammt. Aber Flo hat es nicht zugegeben. Das ist nicht fair!“

 

„Sie wirken ziemlich sauer. Sauer genug um ihre Freunde beauftragt zu haben, in seinen Keller einzubrechen und sein Fahrrad zu zerstören.“

 

„Nein. Das ist … Das würden die nie tun.“

 

„Fakt ist aber, dass niemand bestätigen kann, dass Ihre Freunde zur fraglichen Zeit zuhause waren.“

 

„Das … waren sie aber. Wir waren alle da! Sie können unsere Handy Daten überprüfen!“

 

„Sie halten sich für sehr schlau, oder? Man kann Handys auch liegen lassen. … Dazu haben Sie also nichts zu sagen? Kennen Sie einen Peer Brenner?“

 

„Nein. Aber ich weiß, dass ist der Ex-Freund von Leons Mutter.“

 

„Und wo waren Sie gestern Abend gegen halb neun, als sein neuer Wagen wie von Zauberhand im See gelandet ist?“

 

„Ich weiß nicht, wovon Sie reden. Wir waren alle drei bei Leon. Nur ist er rüber in sein Schlafzimmer gegangen, um mit seiner Mutter zu telefonieren.“

 

„Wir untersuchen den Wagen gerade. Wenn wir eine Spur finden, sind Sie dran. Denken Sie nochmal darüber nach, ob Sie uns nicht doch lieber die Wahrheit sagen. Wer von Ihren Freunden zuerst auspackt, kommt am glimpflichsten aus der Sache raus.“

 

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