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Das Erbe der Mafia

 

„Eure Mutter hat jeweils eine Aufgabe für euch hinterlassen, deren Erfüllung ich überwachen soll, bevor ihr euer Erbe bekommt.“

 

Tante Sylvie schien sich unwohl in ihrer Haut zu fühlen, sowie sie sich im Nacken kratzte. Maike warf ihrem Bruder Robin einen kurzen Blick zu. Er wirkte so kraftlos, wie sie. Zu kraftlos um nachzufragen.

 

Sylvie fuhr fort: „Eure Mutter hat euch und eure Leben in ihren letzten Monaten sehr aufmerksam beobachtet und ist zu dem Schluss gekommen, dass ihr beide Dinge in eurem Leben habt, die ihr vielleicht nie angehen werdet, wenn sie euch nicht zwingt. Ihr Testament ist ihr letzter mütterlicher Rat an euch. Robin, du bekommst das Ferienhaus erst, wenn du gelernt hast, dich gegen deine Frau durchzusetzen. Und Maike, du bekommst euer Elternhaus erst dann, wenn du … glücklich bist.“

 

Einen Moment trat Stille im Wohnzimmer ein. Nur das Knistern des Feuers im Kamin war zu vernehmen.

 

„Bitte was? Was soll das denn heißen?“, schnaubte Robin mehr verwirrt als empört. Er blickte zu seiner Schwester hinüber, als erwarte er auch bei ihr Verdutzen. Doch Maike starrte ihre Tante angsterfüllt an. Sylvie hatte von dem Blatt in ihrer Hand vorgelesen, es waren die Worte ihrer Mutter. Worte, die ihr direkt ins Herz drangen und es einen Augenblick erschrocken anhalten ließen. Dabei konnte sie noch nicht einmal behaupten, überrascht zu sein, dass ihre Mutter etwas geahnt hatte.

 

„Robin, eure Mutter war der Überzeugung, dass du deiner Frau öfter die Stirn bieten solltest. Bei der Erziehung euerer Kinder zum Beispiel. Und sie hatte Angst, dass ihr Erbe eher für Zwecke gebraucht wird, die deine Frau … bestimmt.“

 

„Wie kann sie nur denken, dass …“ Er verstummte. In seinem Innern war ihm wohl auch bewusst geworden, dass er seiner Mutter nicht wiedersprechen konnte.

 

„Hat sie zufällig geschrieben, wie ich glücklich werden soll?“ Maike blickte ihre Tante aufmerksam an. Wenn ihre Mutter die Wahrheit geahnt und ihrer Schwester davon erzählt hatte, würde sie es ihr ansehen.

 

„Sie hat sicher gemeint, du sollst deine Beziehung beenden“, murmelte Robin, aber ehe Maike reagieren konnte, schnitt Sylvie ihr das Wort ab.

 

„Sie hat für keinen von euch direkte Anweisungen hinterlassen, noch hat sie jemals einen von euch für seine Entscheidungen verurteilt. Sie hat aber immer geglaubt, dass sie, auch wenn sie nicht mehr physisch bei euch sein kann, doch sehen kann, wie es euch geht, was ihr macht und fühlt. Sie hat sogar geglaubt, dass sie mehr über euch erfährt, weil ihr ihr jetzt nichts mehr vormachen könnt.“

 

Maike musste tief durchatmen, um gegen die Tränen anzukämpfen. Sie hatte ihrer Mutter nichts vormachen wollen. Nur war es in diesem Fall eben schwer, die Wahrheit zu sagen.

 

„Ich weiß nicht wieso, aber ich bin mir auch sicher, dass euere Mutter ab jetzt immer bei euch ist, wo ihr geht und steht. Sie wird auch jetzt noch versuchen, für euch da zu sein, so gut sie kann. Das Wichtigste war und ist für sie, dass es euch beiden gut geht.“

 

Die Worte ihrer Tante hatten etwas so tröstendes, dass Maike sich wünschte, einen Beweis dafür zu haben. Sie wollte so gerne glauben, dass Sylvie recht hatte, doch wie ohne Beweis?

 

„Sie hätte vielleicht vorher mit uns reden sollen.“

 

„Hättet ihr ihr denn dann die Wahrheit gesagt?“

 

Betretenes Schweigen machte sich auf dem Sofa breit, auf dem Maike und ihr Bruder saßen.

 

„Sie glaubt also, wir kriegen das alles ohne sie hin? Ich habe das Gefühl, ich hätte noch viel von ihr lernen müssen, um …“

 

„Maike, du hast alles von ihr gelernt, was sie dir beibringen konnte. Der Rest liegt dir im Blut. Deine Mutter hat immer zu mir gesagt, du kannst dir ruhig mehr vertrauen.“

 

Maike schluckte. Sie wusste nicht, ob sie das jemals so sehen würde.

 

„Ich denke, ich hole euch mal einen Kaffee, bevor wir alles Weitere durchgehen.“ Sylvie erhob sich und ging in Richtung Küche. Sie blieb allerdings im Türrahmen stehen und sagte: „Oh übrigens … eure Mutter hat sich gewünscht, dass ihr an ihrem Geburtstag gemeinsam ihr Grab besucht. Und sie hat auch festgelegt, welche Blumen ihr mitbringen sollt. Sie wusste schließlich, dass ihr beide keinen grünen Daumen habt.“

 

Damit verließ Sylvie den Raum. Robin und Maike sahen sich an. Beide mit einem traurigen Lächeln im Gesicht.

 

„Ich kann nicht glauben, dass sie das getan hat“, sagte Robin schließlich.

 

Maike schniefte. „Sie hat immer etwas von einer Mafiapatin gehabt. Vielleicht kann sie, wo auch immer sie jetzt ist, immer noch Dinge in Bewegung setzen. Irgendwie war es doch klar, dass wir uns ihres Erbes würdig erweisen müssen.“

 

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