Wie viel hält eine Beziehung aus?
„Enduring Love“ von Ian McEwan handelt von dem rationalen Wissenschaftsjournalisten Joe Rose und einem tragischen Heißluftballonunfall, der sein geordnetes Leben mit seiner Frau schlagartig verändert. Er trifft bei diesem Unfall auf einen jungen Mann namens Jed Parry, mit dem er kaum mehr als einen Blick und einige Worte austauscht und den er dennoch so schnell nicht vergessen soll. Denn Jed Parry, unwissentlich geplagt vom De Clérambault Syndrom, beginnt ihn zu verfolgen. Er bombardiert ihn mit Anrufen, lauert vor Joes Tür und schickt ihm Briefe. Er gesteht ihm seine Art von Liebe und glaubt, einen göttlichen Plan zu erfüllen, da Joe ohne ihn niemals glücklich werden könne. Seine Anwesenheit und seine Worte belasten Joes Beziehung zu seiner Frau Clarissa. Er fühlt sich isoliert und verzweifelt zusehends, da niemand außer ihm die Gefahr ernst zu nehmen scheint. Er soll recht behalten - um einen sehr hohen Preis.
Der Schreibstil von Ian McEwan saugt den Leser vom ersten Satz an förmlich in diese Geschichte. Es ist unmöglich, Joes vorausfärbender Erzählung zu widerstehen und es lässt den Leser hilflos zusehen, wie Joe sich von Jeds Anwesenheit vereinnahmen lässt. Das Thema Wahrnehmung gerät mehr und mehr in den Fokus, je mehr sich die Situation mit dem Mann vor der Tür zuzieht. Er dringt in die Wohnung von Joe und Clarissa ein, die die Bedrohung vollkommen unterschiedlich wahrnehmen. Während Joe die Situation rational betrachtet und zu lösen versucht, sieht Clarissa die Dinge emotional und sucht auf dieser Ebene nach Lösungen.
Dieser Diskrepanz ist es zu verdanken, dass der Leser selbst an der ein oder anderen Stelle an Joe zu zweifeln beginnt. Schließlich können wir nicht immer unseren Augen oder Erinnerungen trauen und versuchen nur allzu oft, uns selbst in erster Linie von etwas zu überzeugen.
Fazit: Ein sehr spannendes Buch, in dem Jed Parry das letzte Wort hat.
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