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Der Raucher

Ich weiß nicht mehr, wann er mir zum ersten Mal auffiel. Aber es muss an einem dieser Morgen gegen 7: 30 Uhr gewesen sein, als ich auf die Erlaubnis der Fußgängerampel gewartet habe, die Straße zu über­queren. In Gedanken war ich wahrscheinlich schon im Büro, in der Hand hatte ich vielleicht eine Dose mit meinem Mittagessen. Und dann, als ich die Straße überquert habe, als das stetige Motorenbrummen meinetwegen endlich zum Erliegen kam, muss ich ihn gesehen haben.

In meiner Erinnerung war es ein ver­regneter, kalter Morgen, als er mir zum ersten Mal auffiel. Sonst wäre er mir wohl kaum aufgefallen. Ein rauchender Mann, der auf einer Eisenstange im Rasen neben dem Gehweg sitzt und auf den vorbeibrausenden Verkehr starrt, während er genüsslich an seiner Zigarette zieht. Vielleicht dachte ich an diesem Morgen nicht weiter über ihn nach, wahrscheinlich hatte ich ihn schon vergessen, als ich das Gelände meiner Firma betrat.

Doch in diesem nasskalten Frühjahr sah ich ihn beinahe jeden Morgen, an dem ich es schaffte, gegen 7:30 Uhr an der Fußgängerampel zu stehen. Einen Mann irgendwo zwischen Mitte 40 und Mitte 50, mit kurzen grau-blonden Haaren, einem kleinen Bierbauch und einem Hinkebein. Er trug immer eine schwarze Sweatshirtjacke und einen abgenutzten, schwarzen Rucksack. Manchmal sah ich ihn bereits auf meiner Straßenseite, manchmal kam er von jenseits der Blechlawinen. Doch er kam immer von stadtauswärts und lief in Richtung Stadtmitte. Mit einer Rauchpause auf Höhe meines Büros. Ich sah ihn an eisigkalten, sonnigen Morgen, ich sah ihn im strömenden Regen (mit einem Schirm). Er machte immer dasselbe. Er setzte sich auf die Stange (bei Regen wischte er vorher mit der Hand darüber), zündete sich eine Zigarette an und sah den vielen Autos, den Pendlern, Handwerkern und Kleintransportern zu, als habe er nie Schöneres gesehen, als wäre das Verkehrsrauschen Musik in seinen Ohren.

Ich begann mich zu fragen, weshalb er seinen Tag mit diesem Ritual begann. In meiner Vorstellung hatte er vielleicht eine Ehefrau, die wollte, dass er mit dem Rauchen aufhörte, weil die Ärzte ihn eindringlich davor gewarnt hatten. Und diese Stelle lag möglicherweise weit genug weg von den Augen und der Nase seiner Frau, um unbehelligt eine einzige Zigarette pro Tag genüsslich zu rauchen. Vielleicht starrte er dabei so auf den Verkehr, weil er ein Autofan war oder weil er jeden Morgen aufs Neue über die Massen staunte, die sich in Richtung Stadtmitte bewegten. Vielleicht war dieser Moment im Abgasnebel des Berufsverkehrs der letzte, freie und ruhige Moment, den er für sich hatte, bevor er mit der Arbeit begann. Vielleicht war diese Zigarette für ihn dieses eine verbotene Laster, von dem wir alle eines haben und von dem wir alle wissen, dass es nicht gut für uns ist. Und doch bereitet es uns eine so diebische Freude, dass wir es einfach nicht lassen können, wie das Stalken des Ex-Freundes.

Und dann wusste ich endlich, weshalb er mich so in den Bann zog. Ich sah ihn niemals auf sein Smartphone starren. Nicht ein einziges Mal, während er dort saß und rauchte, holte er sein Handy hervor. Überhaupt sah ich ihn nie mit Handy in der Hand. Er starrte lieber in den Verkehr, auf den Müll, den wir tagtäglich in unseren Städten fabrizieren, als auf den Müll, den wir tagtäglich im Internet produzieren.

 

 

 

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